Ausgewählter Beitrag
Gesellschaft im Wartestand
Die Corona-Seuche schnürt uns ein, fährt unser Leben herunter. Experten geben uns täglich ein „Update“ über den Stand der Pandemie. Sie versorgen uns mit den besten Gegenmaßnahmen und sinnvollsten Verhaltensregeln. Früher hätte man gesagt, sie aktualisieren den Stand der Dinge. Das klingt aber nicht so gut. Die Seuche hat bei vielen Menschen bereits ein erstaunliches Umdenken ausgelöst und zu einer nie für möglich gehaltenen Solidarität geführt. Wir befinden uns im Wartestand: Wird es mich auch erwischen? Wie wird es mir dann gehen?
Was mich am meisten beunruhigt, ist die Ungewissheit: Wie lange wird das alles dauern? Wie lange werden Geschäfte, Buchhandlungen, Cafés und Restaurants geschlossen bleiben, wie lange werden die Reisebeschränkungen dauern? Konstantin Wecker hat vor vielen Jahren auf einem Open-Air-Konzert in Salzburg als Einleitung zu seinem Lied „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ sinngemäß gesagt: Wenn man sich vorstellt, noch dreißig Jahre Leben vor sich zu haben, dann sei das eine ziemlich lange Zeitspanne. Aber nur noch dreißig Sommer vor sich zu haben, das sei erschreckend überschaubar.
Welcher Sommer soll das heuer werden?
Zu Beginn des Frühlings denkt man unwillkürlich an den Sommer. Was wird es für ein Sommer werden? Wo werden wir ihn verbringen? In der Zwei-Zimmer-Wohnung, auf dem Balkon, im Garten oder gar im Krankenhaus? Wird es ein Sommer ohne Badeseen, Schwimmbad, Bergwanderung, Biergarten oder Meer? Ist dies dann ein verlorener Sommer? Oder vielleicht auch ein verlorenes Jahr? Schon jetzt hat diese Pandemie Spuren hinterlassen, zumindest bei den Menschen, die nicht mehr so viele Jahre vor sich haben. Wenngleich man ja nie weiß, wie viele Sommer man noch erleben wird. Gott sei Dank, möchte ich sagen.
Sicher werden viele Menschen die erlittenen Entbehrungen kompensieren, sobald die Durchseuchung unserer Gesellschaft mit den von den Experten prognostizierten 70 bis 80 Prozent erfolgt ist und es ein wirksames Medikament gegen die Krankheit gibt. Es wird aber auch ein Rest Verunsicherung in unseren Gehirnen zurückbleiben: Was hält das Leben noch für furchtbare Krankheiten und Bedrohungen bereit und wie können wir uns wirksam dagegen schützen. Viele Menschen werden allerdings die Seuche nicht überleben.
Gewinn und Verlust – ohne Rechnung
Ein Gewinn wäre es jedenfalls, wenn dieses furchtbare Geschehen ein dauerhaftes Umdenken bei uns auslösen würde, wenn wir nach Überstehen des vermutlich sommerlosen Jahres und den ganzen Einschränkungen und Versammlungsverboten mit der gleichen Wucht gegen den Klimawandel und seine Zerstörungen vorgehen würden. Wenn sich die Einstellung zum Turbokapitalismus ändern würde, wenn es nicht spurlos an uns vorbeiginge, dass Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und anderes medizinisches Personal für uns im Einsatz waren, als viele nicht mehr aus dem Haus gehen durften. Es ist an der Zeit, sie nicht nur angemessen zu entlohnen, sondern ihnen auch die notwendige gesellschaftliche Wertschätzung entgegenzubringen.
Solidarität und Gelassenheit
Gestern lag ein Zettel einer jungen Studentin aus der Nachbarschaft in unserem Briefkasten, mit dem sie Menschen in der Umgebung ihre Unterstützung anbot: beim Einkauf, bei der Betreuung von Kindern etc., einfach so, ohne finanzielle Interessen. Und am Abend verbreitete sich über WhatsApp die Meldung, dass die Menschen um 21:00 Uhr aus ihren Fenstern oder auf Balkonen und Terrassen dem medizinischen Personal applaudieren sollten. Welch schöne Geste!
Gesundheit ist immer noch das höchste Gut. Sie ist wichtiger als Aktienkurse und Gewinnmaximierung, wichtiger als grenzenlose Reisefreiheit und was sonst noch unser Leben bestimmt. Unter Gesundheit versteht die Weltgesundheitsorganisation einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Ich finde, dass Gelassenheit ein wesentlicher Teil von Gesundheit ist. Und gerade Gelassenheit brauchen wir in dieser über uns allen schwebenden Gefahr. Bleiben Sie gelassen und gesund!
Abbildung: © Pexels.com/Miguel ?. Padriñán
Josch 18.03.2020, 13.33
Nee, verstehe ich nicht, dass du keine anderen Meinungen zulässt, als deine - ziemlich arm (selig) finde ich das ... wenn ich das schon lese: "Experten geben uns täglich ein „Update“ über den Stand der Pandemie", sorry, aber, was ist, wenn hinter dieser sogenannten Pandemie etwas ganz anderes steckt????
vom 21.03.2020, 23.36
Ja, liebe Gudrun, vielleicht ist es armselig von mir, dass ich diese spezielle "Meinung" nicht auf meinem Blog verbreiten möchte. Es gibt Themen, Gruppierungen, Parteien, Haltungen etc., die ich strikt ablehne: AfD, Fremdenhass, Diskriminierung, Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker. Hier ein Link von Harald Lesch, der die Situation von der Statistik her beleuchtet. Und das ist furchtbar. Bleib gesund. Alles Gute. josch