Ausgewählter Beitrag
Als Lektor eines Buchverlags stellt man immer wieder - teils fasziniert, teils stöhnend fest -, wie viele Menschen gern ein Buch veröffentlichen würden, und zwar ein richtiges, eben ein gedrucktes Buch. Bei den allermeisten Manuskripten, die dem Lektor auf den Schreibtisch gelegt oder ihm zugemailt werden, hat man den Eindruck, der Verfasser hat einfach drauflos geschrieben, zunächst einmal, ohne sich groß Gedanken machen.
Gedanken darüber, welches Genre er zum Beispiel mit seinem Buch bedienen möchte und in welchem Umfeld er sein Buch sieht. Und damit verspielt der ambitionierte Autor - wenn ich hier die maskuline Form Autor verwende, sind selbstverständlich Autorinnen mitgemeint - schon die erste Chance, adäquat zur Kenntnis genommen zu werden. Sich über das Genre keine oder zu wenig Gedanken zu machen, ist etwa so, als würde man beim Gemüsehändler nach Sachertorte suchen. Daher lege ich jedem, der sein Buch - oder besser: Manuskript - einem Verlag zur Publikation anbietet, ans Herz, sich ausgiebig mit dem Genre auseinanderzusetzen, das er mit seinem Buch bedient. Dies heißt auch, dass er im Anschreiben, mit dem er sein Manuskript einem Verlag anbietet, bereits erschienene, erfolgreiche Bücher benennt, zu denen seiner Meinung nach sein Buch gut passen würde. Es lohnt sich in diesem Zusammenhang auch, sich die Verkaufsränge dieser Bücher zum Beispiel bei Amazon anzusehen. Der Verkaufsrang sagt zwar nur bedingt etwas über den tatsächlichen Abverkauf des Buches aus, aber er spiegelt zumindest wider, wie oft der Titel von potenziellen Kunden angeklickt wurde. Allerdings kommen nur tatsächlich stark verkaufte Bücher zu hohen Verkaufsrängen, die zwischen 1 (stärkster Wert) und 100 liegen. Nota bene: Es gibt auch Bücher mit einem Verkaufsrang von über zwei Millionen. Die bewegen sich allerdings so gut wie überhaupt nicht mehr. Bücher mit einem derart schlechten Verkaufsrang sind keine gute Argumentationshilfe für den künftigen oder neuen Autor. Im Lektorat gehört es zum Tagesgeschäft, sich mit Verkaufsrängen und den GfK-Zahlen zu beschäftigen (GfK= Gesellschaft für Konsumforschung). Dort erhält der Lektor tatsächliche, absolute Verkaufswerte.
Noch ein Wort zu den unverlangt eingesendeten Manuskripten: Ich habe in meiner Zeit als Lektor und Redaktionsleiter wöchentlich oft zwischen 50 und 100 Manuskripte zugeschickt bekommen. Manche Publikumsverlage bekommen sicher noch weit mehr Angebote. Da ist es verständlich, dass es für einen Lektor zunächst einmal nur darum geht, seinen Schreibtisch leer zu bekommen. Und natürlich geht dabei auch das eine oder andere gute Manuskript unter, will heißen: Es wird erst gar nicht zur Kenntnis genommen.
So viel für heute. Im nächsten Beitrag möchte ich ein paar Hinweise geben, wie ein ansprechendes Manuskriptangebot aussehen sollte. Wenn Du Fragen hast, nutze einfach die Kommentarfunktion meines Blogs.
Selbstverständlich haben Deine Fragen für mich Priorität.
Josch 22.02.2016, 19.10
Hallo Josch,
um von Twitter aus zu deinem interessanten Artikel zu kommen (ich habe keine Schreibambitionen, finde es aber trotzdem sehr interessant, mal was von "backstage" zu lesen) musste ich zunächst von der timeline zu deinem Profil, um den Link zum Blog zu finden. Das könnten eiligere/jüngere ;-) Menschen als ich evtl.etwas umständlich finden und das klicken unterlassen. Was für den (oder auch spätere) Artikel schade wäre. Am Besten immer mit Kurzlink des Artikels direkt in den tweet verlinken und schwupps, ist man da. Ist natürlich nur so ein Gedanke von mir ;-)
Zur Schreibflut: irgendwann (temporär) kommt man ja selber auch mal auf den Gedanken: hm, schreib doch was. Ist ja nicht so, dass man nicht schon fertige Bücher im KOPF hätte. Und dann sieht man, dass mittlerweile fast Jeder auf dieselbe Idee gekommen ist, unabhängig davon, ob er schreiben kann oder nicht, diverse quantitätfordernde Schreib-Projekte wie der NaNoWriMo verfestigen diesen Gedanken in den Köpfen der Schreibwilligen und es wird geschrieben wie verrückt. Und weil der Schreiber merkt, dass die Verlage dieser Flut an Geschriebenem nicht mehr Herr werden (können)-wie Du schreibst, man muss den Schreibtisch leer bekommen- wird mittlerweile selfpublisht, was das Zeug hält. Nach einigen leidvollen Erfahrungen beim Lesen solcher Werke (ich bin leicht zu begeistern und stehe fortschrittlichen Ideen immer recht aufgeschlossenen gegenüber), bin ich als Leser reumütig in die Arme der renommierten Verlage zurück gekehrt. Der Zeitaufwand, den ich als Leser benötige, um aus einem riesigen Pool weitestgehend regelbefreiter Veröffentlichungen die Perlen (die es sicher gibt, davon bin ich überzeugt!) heraus zu filtern, ist mir zu hoch, ich lebe auch nur einmal.Und um den Bogen zurück zu deinem Artikel zu spannen: ich glaube, dass der sehr hilfreich für angehende Autoren ist, die doch auch lieber bei einem Verlag veröffentlichen wollen.
LG, Devona
vom 23.02.2016, 16.12
Liebe Devona,