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Vom Manuskript zum Buch (Teil 7)

Die Arbeit des Lektors am Manuskript

Manch unbedarfter Autor glaubt, ein Lektor lese das Manuskript durch, korrigiere die eine oder andere falsche Schreibung, und das wär's dann. Dann könne der Text ja gedruckt werden. Rechtschreibkorrekturen sind nicht in erster Linie Aufgabe des Lektors. Das erledigt der Korrektor, und zwar erst viel später, nämlich dann, wenn der Text bereits gesetzt ist. Was aber macht dann der Lektor?



Beispiel belletristische Werke: Der Lektor liest den Text sorgfältig und aufmerksam durch. Dabei geht es im Wesentlichen um folgende Punkte:

1 Ist der Text logisch aufgebaut?

2 Ist die Entwicklung des Helden (Protagonist) und die seines Gegenspielers (Antagonist) logisch und für den Leser nachvollziehbar dargestellt?

2 Werden die verschiedenen Figuren verständlich charakterisiert?

3 Stimmen die Zeitabfolgen? Dies ist ein ganz wichtiges Kriterium. Oft herrscht hier reines Chaos. Das zeitliche Chaos zu ordnen ist äußerst aufwendig und diffizil.

4 Gibt es Dubletten im Text? Sind sie ein Versehen oder stellen sie so etwas wie einen „poetischen Doppelpunkt“ dar?

5 Gibt es weitschweifige Passagen im Text? Was kann man weglassen, herausstreichen?

6 Gibt es Erzähllinien, die in die Irre führen?

7 Bleiben die Namen der Figuren gleich oder heißt Friedrich am Ende Ferdinand, wird Anne plötzlich zu Anna und ist Marina nicht eigentlich mit Marion identisch? Es kommt sehr häufig vor, dass Namen verwechselt werden oder dass sich Schreibweisen der Namen innerhalb des Textes ändern, ohne dass es dem Autor selbst aufgefallen ist.

8 In welchem Verhältnis stehen Erzählzeit und erzählte Zeit?

9 Gibt es Inhalte, Figuren, Bezüge zur Realität, die zu wenig oder zu undeutlich herausgearbeitet wurden? Muss der Autor unter Umständen nachliefern, nachbessern?

10 Gibt es Korrelationen zur Realität, die gegebenenfalls zu rechtlichen Problemen führen können?

11 Sind die Zitationen korrekt? Stimmt bei eventuell zitierten Gedichten jeweils der Zeilenfall (auch das kann zu einer Abmahnung führen!). Ist möglicherweise eine Abdruckgenehmigung bei einem anderen Verlag einzuholen?

12 Gibt es Besonderheiten der Rechtschreibung, die im Gesamttext eine Funktion haben, oder sind sie ungewollt und lediglich Fehler?

13 Stimmen die Tempora, sind sie konsequent und stilistisch exakt?

14 Gibt es plagiierte Passagen?

15 Ist der Point-of-View nachvollziehbar oder eher verwirrend?

 

Das sind die wichtigsten Fragen an den Text, die den Lektor bei seiner Arbeit leiten. Sind sie abgearbeitet, dann geht es an die Feinarbeit, d.h. die stilistische und formale Bearbeitung des Textes. Oft müssen Schachtelsätze aufgelöst werden, muss der Nominalstil in einen Verbalstil umgewandelt werden, damit sich der Text besser lesen lässt und nicht zu papieren daherkommt u.v.a.m.

Ein gewissenhaftes Lektorat ist sehr mühsam. Der Lektor ist der Erstleser des künftigen Buches. Er versucht, in die Denkweise des Autors zu schlüpfen, ohne dem Text seine Charakteristik zu nehmen, ohne ihm seinen Stil zu verpassen. Der Lektor beurteilt den Text, als wäre er ein „namenloser“ Leser des Buches. Der Käufer/Leser des Buches ärgert sich bei schlecht lektorierten Büchern einfach über Ungenauigkeiten und Fehler, über unnötige Längen und dröges Erzählen, weil dies das Lesen ungemein erschwert.

Ich selbst lege beispielsweise Bücher aus der Hand, bei denen mir schon auf den ersten Seiten Nachlässigkeiten begegnen, seien es Fehler in der Syntax und Interpunktion oder stilistische Ungenauigkeiten. Ich bin dann automatisch zurückhaltend, wenn ich ein Buch aus dem gleichen Verlag sehe, das mich vom Titel her eigentlich interessieren würde ...

Josch 09.06.2016, 15.39

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Heidi Grund-Thorpe

Sehr informativ!

vom 13.06.2016, 07.43
Antwort von Josch:

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Schön, dass ich auf diesem Weg wieder einmal etwas von Ihnen höre/lese. In Zeiten des Selfpublishings scheinen ja viele zu glauben, es sei nicht notwendig, einen Text zu lektorieren. Nur ja nichts verbessern. Das ist schließlich "mein" Text. Aber gutes Lektorat ist intensives Miteinander von Autor und Lektor/in. Und das macht die Arbeit so interessant und das Werk schlussendlich lesenswert.
1. von Julia Feldbaum

Sehr guter Artikel!


vom 10.06.2016, 22.13
Antwort von Josch:

Danke!
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