Ausgewählter Beitrag
In der Süddeutschen Zeitung las ich in der Wochenendausgabe vom 16./17. Januar 2016 mit großem Vergnügen einen Bericht über den Prozess gegen die Täter des aufsehenerregenden Einbruchs während der Ostertage 2015 in den Tresorraum der Hatton Garden Security Companny. Spektakulär an diesem Raub war nicht nur der Wert der Preziosen, der bei etwa 19 Millionen Euro lag, spektakulär empfand der Autor des Berichts vor allem das Alter der Täter. Der Anführer der Gang war weit über 70, seine Komplizen zwischen 60 und 70. Der jüngste Gehilfe 42.
Der Bericht war überschrieben mit: "Der Ü-60-Raub." Als wenn eine kriminelle Karriere mit dem Erreichen des Rentenalters zu Ende ginge. Das wäre etwa so, als wenn ein braver Siemensingenieur mit Erreichen des Rentenalters sowohl seine Kenntnisse und Fähigkeiten als auch seine charakterlichen und sozialen Eigenschaften in der Firma zurückließe. Der Beginn einer altersbedingten Tabula rasa gewissermaßen. Man hört mit 65 nicht nur zu arbeiten auf, sondern gibt auch gleich seine Persönlichkeit, seine Identität an die Gesellschaft zurück. Man ist mit 65 plötzlich ein anderer Mensch. Super. So viele neue, leider schon angegraute Menschen mit absehbarem Verfallsdatum.
Wie offizielle Statistiken belegen, steigt auch in Deutschland die Zahl jener Verbrechen, die von Senioren begangen werden, und zwar stieg der Anteil zwischen 2002 bis 2013 um acht Prozent! In Nordrhein-Westfalen ging zum Beispiel vor drei Jahren der Polizei eine Rentnergang ins Netz, die insgesamt sechs Banken überfallen und dabei über 400.000 € erbeutet hatte.
In London kam man der Bande letztendlich auf die Schliche, weil die Überwachungskameras das Auto eines Bandenmitglieds, das zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts geparkt wurde, erfasst hatten. Der kriminelle Fahrzeughalter war der Polizei seit 55 Jahren bekannt. Er hatte seine Verbrecherkarriere mit etwa 20 Jahren begonnen.
Es hat schon was für sich, wenn man auf eine derart lange Erfahrung mit hoher krimineller Energie zurückblicken kann. Verwundern jedenfalls kann das nur Menschen, die meinen, mit Erhalt des Rentenbescheids beginne die Demenz, Alzheimer, der geistige Verfall, Ende der Emotionen, Gefühle, Wünsche, der Fantasien, der destruktiven Energie. Das ist nicht nur jugendlich naiv, sondern auch ganz schön arrogant.
"Alter schützt vor Torheit nicht",sagt ein Sprichwort, das auf William Shakespeare zurückgeht und das nichts anderes bedeutet, als dass Dummheiten nicht auf ein bestimmtes Alter beschränkt bleiben. Sich dies immer wieder einmal vor Augen zu führen, ist meines Erachtens eine wichtige Voraussetzung zu einem emanzipativen Umgang von Jung und Alt miteinander. Es könnte uns jedenfalls die Angst vor einer Überalterung der Gesellschaft, wenn schon nicht nehmen, so doch erheblich mindern.
Und dazu gehört eben auch, sich der Realität der Alten zu stellen. Und dass auch Senioren kriminell sein können. Kriminalität ist eben nicht auf ein bestimmtes Alter beschränkt. So einfach ist das.Josch 16.01.2016, 21.15
Ich sitze in der U-Bahn Richtung Osloer Straße lese den Beitrag übers Altern und fühle mich verstanden.
vom 21.02.2016, 21.32
Ich habe mich mit dem Thema ein wenig ausgetobt. Aber bei all dem Jugendwahn, der um uns herum tobt, darf der Blick aufs Alter und das Altern nicht verstellt werden. Ich bin noch mitten in diesem Thema. Daher wird es noch mehr dazu geben...