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Ende des Trumpismus

Mein Blogbeitrag etwa zwei Stunden vor dem Sturm aufs Kapitol in Washington

Präsidentschafts-Apocalypse-Now 

Kaum ein Thema hat mich neben Covid-19 in den letzten Monaten mehr beschäftigt als der Machtmissbrauch Donald Trumps. Es begann bei mir mit der Wahl am 3. November letztes Jahr. Pessimistisch wie ich manchmal bin – oder sollte man besser sagen: zweckpessimistisch (das Wort gibt es tatsächlich!) –, sagte ich schon Wochen, ja Monate vorher zu meinem Sohn: „Du wirst sehen, der Trump gewinnt die Wahl wieder!“ Hatten mich doch die unzähligen Lügen-Tweets sowie vor allem die Pressekonferenzen zu Covid-19, die Solidaritätsbekundungen und bewaffneten Auftritte seiner Anhänger nach dem Mord an Georg Floyd dermaßen verunsichert, dass sich mein positives Bild, das ich bis zum Amtsantritt Trumps von Amerika hatte, nur noch durch das Anhören der Reden Barack Obamas auf Youtube mühsam aufrecht erhalten konnte.



Spiegeln Präsidenten das Lebensgefühl ihrer „Untertanen“ wider?

Gut, ich gebe zu, dass auch durch frühere Präsidenten, wie zum Beispiel Ronald Reagan oder Georg Walker Bush, mein positiver Überschwang für die USA schwere Dämpfer hinnehmen musste. Als Nachkriegskind, das in der Oberpfalz, nicht weit vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr, aufgewachsen ist, kam ich schon als Jugendlicher in den späten 1960er-Jahren mit vielen GIs zusammen, die kurz vor oder auch nach ihrem Einsatz in Vietnam in den Lokalen in Grafenwöhr herumhingen. Ein weiterer Grund meiner Begeisterung für Amerika waren die vielen wunderbaren Filme, die aus diesem Land kamen, die Musik, die grenzenlose Freiheit, das Lebensgefühl, das damit verbunden war.

Mit Ronald Reagan in den 1980er-Jahren war dann meine Begeisterung für dieses Land auf einem Nullpunkt. Hätte es damals nicht so tolle Filme wie „Heaven's Gate“ von Michael Cimino oder „Vermisst“ von Costa-Gavras  oder auch „Apocalypse Now“ von Francis Ford Coppola gegeben, ich hätte die Vereinigten Staaten von Amerika und die ganzen Amerikaner nur noch verachtet. Als ich zu der Zeit auf einer Literaturtagung in Weiden in der Oberpfalz Eugen Oker traf, einen oberpfälzischen Literaten, Redakteur und Feingeist, und bei einem Glas Bier von meiner Verachtung für die Demokratie in den USA sprach, entgegnete er: „Was soll an einer Demokratie schlecht sein, in der es möglich ist, dass die Arbeit zweier Journalisten einen Präsidenten zu Fall bringt?“ Er spielte damit auf die Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein an, durch deren Berichterstattung letztlich Präsident Nixon zurücktrat. Damit hatte Eugen Oker einen Nerv bei mir getroffen, oder sollte man besser sagen: einen Sehnerv? Denn damit kam ich nicht nur schwer ins Grübeln, sondern meine gesamte Sicht auf Amerika wurde wieder klarer und positiver.


Land der grenzenlosen Freiheit oder Dummheit?

Und dann reiste ich ein paar Mal nach Amerika, besuchte Los Angeles, San Francisco, Las Vegas, wanderte im Yosemite National Park, campte im Kings Canyon, erlebte einen Sonnenaufgang im Bryce Canyon, flog mit dem Hubschrauber durch den Grand Canyon, besuchte alte Goldgräberstädte, durchfuhr das Death Valley und wanderte im Joshua Tree Park. Das war für mich wahrhaft grenzenlose Freiheit. Ich traf in Frühstückspensionen wunderbare, hoch gebildete Menschen, die mir in bleibender Eindruck blieben: vorurteilsfrei, freundlich, hilfsbereit und offen.

Und dann kam Donald Trump an die Macht, wie schon George Walker Bush mit weit weniger Stimmen als die unterlegenen Gegenkandidaten Al Gore oder Hillary Clinton. Wie kann das sein? Das kann doch keine Demokratie sein, in der ein Mensch, der weniger Stimmen vom Volk erhält, dennoch Sieger sein kann? Meine Einstellung zu Amerika bekam wieder einen großen Riss. Ich hatte das sicher veraltete amerikanische Wahlsystem nicht begriffen. Ich konnte diesen gelb-roten Menschen einfach nicht mehr sehen, diese aufgesetzte Mimik, dieses dumme Gerede, diese unsägliche Blasiertheit. Einfach nur zum Wegschauen.


Hoffnung für Amerika und die Welt

Als dann am 7. November 2020, dem Samstag nach der Wahl, der Sieg Joe Bidens sicher war, dachte ich wieder, ich sei in einem schlechten Film. Was ist das für ein Mensch, der nicht verlieren kann? Was aber in diesem Fall weit schlimmer ist als bei den anderen Millionärs-Machthabern vor Trump, das ist die Tatsache, dass nahezu seine gesamte Partei bei diesem Lügen- und Verbrecherspiel mitmacht, sieht man einmal von den wenigen aufrechten Republikanern ab, wie zum Beispiel die Familie John McCains oder Mitt Romney. Dass sogar Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat, so lange den Sieg Joe Bidens ignoriert hat, war für mich nicht nur abstoßend, ekelhaft, sondern einfach gefährlich. Gefährlich nicht nur für die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern für die ganze Welt. Ein solches Verhalten beflügelt Machthaber wie Viktor Orbán, Alexander Lukaschenko oder Mateusz Morawiecki und andere ultrarechte Politiker, auch jene von der AfD.

Dies alles zum Schaden des Volkes, das immer weiter auseinanderdrifted. Wo führt das hin, wenn sich Demonstranten und Gegendemonstranten schwer bewaffnet gegenüberstehen? Wo bleibt das Gespräch? Wo die Kompromissbereitschaft? Politik ist immer Kompromiss, ist Zugeständnis, ist Aufeinander-Zugehen. Und was wird nach dem Amtsantritt Joe Bidens und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris? Ich bezweifle, dass sie das stark gespaltene Land einen können. Da müsste schon ein Wunder geschehen. Und Wunder gibt es leider nicht immer wieder, auch wenn Katja Ebstein dies anders sieht.

Abbildung: © pinterest.de/Cheezburger

Josch 06.01.2021, 17.35

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Christel Boßbach

Eine Stunde nach diesem Blog brach die Hölle in Washington los... ausgelöst durch die grauenvoll Rede Trumps. Wie ein Kaninchen vor der Schlange hörte ich auf Phoenix zu.
Wie oft wird man die gelassene Replik Bidens sich anhören müssen, wie qualvoll werden die Tage bis zu seiner Amtseinführung?

vom 08.01.2021, 09.53
Antwort von Josch:

Ich bin fassungslos. Seit zwei Tagen lese ich nur noch Meldungen und Kommentare über den Angriff auf die zweit älteste Demokratie und Vorbild für viele Staaten. Treffend, was unser Außenminister und der Bundespräsident dazu gesagt haben. Sehr stark auch der Kommentar von Frau von der Leyen: Aus Worten werden Taten! Welch eine Hypothek, die auf Joe Biden lastet. Wie soll er dieses Land einen, das seit dreißig Jahren diese Spaltung ignoriert hat? Ich danke dir sehr für den Kommentar.
1. von Wilfred M. Nann

Hallo Herr Pöllath,
Danke für den Beitrag und die Überlegungen zur politischen (Un)Kultur, die ich teile.
Außer dass ich bisher nur in New York war und mich nichts nach USA zieht. Außer evtl. die tollen Nationalsparks. Dem "American way of life" stand ich seit meiner Jugend schon eher kritisch gegenüber. Das politische System zu verstehen, fällt mir schwer.
Ich hoffe, dass die Senatsnachwahl in Georgia gut für die Demokraten ausgeht und Ende Jan dieser Herr Trump Geschichte ist Wenn ich auch befürchte, dass die Republikaner Trump nicht rasch genug fallen lassen.
Aber hoffen dürfen und müssen wir ja
Alles Gute Ihr
Wilfred M. Nann

vom 06.01.2021, 18.25
Antwort von Josch:

Lieber Herr Nann: Ich war noch niemals in New York, könnte ich mit Udo Jürgens singen, dafür eben im Westen des Landes. Und dort ist es richtig schön. Die politische Kultur des Landes und so viele Menschen dort verstehe ich auch nicht. Und ich finde diese Politkultur, wenn man sie denn überhaupt so nennen kann, vor allem gefährlich für den Rest der Welt. Ihr jkp
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